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Sitte und Brauch
Version 4 | 02.09.2013 | 19.56 Uhr
Mit der Bitte um….
Die besten Gesetze entstehen aus den Gebräuchen
Joseph Joubert, frz. Moralist und Essayist, 1754 – 1824
Sitte und Brauch
Für Brauchtum interessieren sich viele. Beispiele dazu weiß eigentlich jeder. Das Wasservogelsingen ist gerade für Lichteneck ein besonders geeignetes. Halloween dagegen nicht – wenigstens noch nicht. Das Wesen eines Brauches im Sinne der Volkskunde zu definieren, ist nicht ganz einfach. Halloween oder extravagante Frisuren haben zuerst einmal nichts mit Brauchtum zu tun, es sind Modeerscheinungen. Feste Gewohnheiten einer Gruppe oder Gemeinschaft dagegen kann man als Vorstufe von Bräuchen sehen. Echte Folklore als „Wissen des Volkes“ oder auch „Überlieferung des Volkes“ ist eine Fundgrube für Elemente des Brauchtums. Sitte als sinnverwandter Begriff steht direkt neben Brauch. Die Sitte wirkt als soziales Gebot, der Brauch als Anleitung für soziales Handeln.
Charakteristische Merkmale von Sitte und Brauch sind ihre wertgeschätzte Beachtung bzw. Ausübung durch eine Gemeinschaft, regelmäßig und über lange Zeiten.
Die geschichtlichen Wurzeln für unseren Kulturkreis liegen vor allem in der germanischen Welt, in der Antike und im Christentum. „Das Verpflichtende, das ihnen als Überlieferung innewohnt, geht auf die zwei Gemeinschaften der Kirche und des Volkes zurück.“ Der „Klassiker der bayerischen Volkskunde“, Josef Schlicht (1832 – 1917), analysiert in seinem kulturgeschichtlichen Quellenwerk „Bayerisch Land und Bayrisch Volk“ tiefgehend die Zusammenhänge und Hintergründe dieser Beziehungen. „Die Adern der Religion durchziehen viel Brauchtum, …“ Sitte und Brauch als soziale Bindungsgewalten erhöht er mit dem bemerkenswerten Satz: „Nicht dem staatlichen Gesetz, dem geschriebenen Recht ordnet sich der Mensch am ersten unter, sondern dem, was der Brauch ist.“
Sitten und Bräuche haben Tradition, sie werden überliefert. Die Überlieferung beinhaltet auch den Auftrag, sie weiter zu leben. Ihre Bedeutung für die Gemeinschaft soll im Auge behalten werden. Fortwährende Aufgabe muss es demnach auch sein, den Sinn von Sitte und Brauch neu zu beleben, Veränderungen in Form und Inhalt, der Zeit entsprechend, zuzulassen, wenn das Bedürfnis besteht. „Denn Brauch bewegt sich in einem dynamischen Prozess, er gleicht sich den neuen Gegebenheiten an und dieser Umstand ist nur eine der Voraussetzungen, damit er überhaupt lebensfähig bleiben kann.“ – weiß unser renommierter Volkskundler Prof. Dr. Reinhard Haller aus Bodenmais. Künstliche Wiederbelebungen sind auf Dauer zum Scheitern verurteilt.
Sitten und Bräuche haben überall und immer Einfluss auf die Daseinsgestaltung des Einzelnen und der Gemeinschaften. Sie spenden Trost und geben Hoffnung, sie erzeugen Zufriedenheit, sie schenken ein gutes Gefühl, sie sind Quell und Ausdruck reiner Lebensfreude, auch überschäumender Lebenslust. Sie stützen in Stunden der Angst und Not. Die vertrauten Bräuche strukturieren den Jahresablauf, setzen Schwerpunkte und schaffen Erlebnisse, so, dass einem innerlich warm wird. Sitte und Brauch sind Wegweiser und Leitplanken für ein richtiges, ein gutes, ein gottgefälliges Leben. Sie helfen, dass immer das „Richtige“, das „Geziemende“ getan wird. Sie sind Entscheidungshilfen für das Leben in einer Welt, die mit ihren ständig anwachsenden Möglichkeiten und einer zunehmenden Beliebigkeit, Unsicherheiten erzeugt. Die Beachtung von Sitte und Brauch schenkt dagegen dem Einzelnen Sicherheit und Geborgenheit, sie stärkt den Zusammenhalt der Gemeinschaften.
Philosophen und Dichter können oft mit ganz wenigen Worten sehr vieles sagen. Josef Schlicht, der Schlossbenifiziat aus Stainach bei Straubing, der ungekünstelte Sprachmeister, der in Anlehnung an den berühmten „Bauernmaler“ als der „Defregger (1835 – 1921) mit der Feder“ bezeichnet wurde, war auf seine Art ein solcher. Er erwies den ererbten schönen Gebräuchen in unüberbietbarer Kürze seine große Wertschätzung, indem er sie die „Poesie des Volkes“ nannte.