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Maibaum

Maibaum
Der Maibaum ist laut Kreisheimatpfleger Karlheinz Reimeier auch heute noch, in einem großen Teil Bayerns, ein charakteristisches Brauchdenkmal zahlreicher Dörfer. In der einschlägigen Literatur findet man zu seiner Herkunft verschiedene Theorien. Vielleicht ist der Maibaum ein Überbleibsel aus der heidnischen Zeit ist, als der Wald und somit auch der Baum unseren Ahnen etwas Heiliges war. Unter Bäumen brachten sie ihre Opfer dar. Es lag daher nahe, zu gewissen Festzeiten Bäume aus dem Wald in das Dorf zu holen und sie vor dem Heim als Schutzzeichen aufzustellen. Dies taten auch Dorfgemeinschaften und so stellte man den Baum in die Mitte des Ortes.
Prof. Dr. Reinhard Haller, der renommierte Heimatforscher des Bayerischen Waldes, beginnt seinen Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Maibaums damit, dass dieser „im Bayerischen Wald eine mehrhundertjährige Tradition besitzt, welche um die Mitte des 17. Jahrhunderts einsetzte, und seine frühe Bestätigung in einer Rechnung der Stadt Grafenau aus dem Jahr 1647 findet." Er führt an, dass dort erwähnt wird, dass einquartierte Reiter „vor dem Rhathauß einen Maypaum gestelt..." haben.
Auch in Lichteneck ist es Tradition zum 1. Mai einen Baum am Dorfanger aufzustellen. Einheimische und Gäste, Kinder mit großen, staunenden Augen schauen interessiert zu, bis unter dem Kommando des Dorfvorsitzenden - zurzeit ist es der Hobelsberger Christian - der stattliche Baum in die Senkrechte gebracht und sicher verankert ist. Dann sitzt man auf dem Dorfplatz zusammen, bei Brotzeit und Bier, und genießt den Abend und das Ereignis.
Die Bauern und Waldbesitzer von Lichteneck spenden für den Erhalt dieses Brauches abwechselnd eine schlanke, lange, gerade gewachsene Fichte. Andere Dorfbewohner geben der sammelnden Dorfjugend Geldspenden für die anfallenden Materialkosten.
In unserem Dorf wird diese Fichte dann zwei bis drei Jahre als Maibaum aufgestellt. Manchmal erfahren auch Moabäume (Grenzbäume) hierdurch eine für die Allgemeinheit sinnvolle und schöne Verwendung.
Es bedarf vieler Arbeitsschritte und des Fachwissens vieler Lichtenecker um am 1. Mai auf einen stolzen Baum blicken zu können. Auch hat sich eine gewisse Arbeitsteilung herausgebildet. Erfahrene Männer unseres Dorfes übernehmen das Fällen, das Entrinden, das Bemalen, Befestigen der Figuren, Aufstellen sowie auch das spätere Umlassen des Baumes.
Das Aufzeichnen der Rauten auf den jeweiligen Baum ist eine nicht einfache Angelegenheit. Wie in den letzten Jahren auch ist dies Sache von Kronschnabl Sepp. Beim anschließenden Ausmalen der mit Bleistift vorgezeichneten Rauten hat der Maler Jäger Edi das Sagen. Die Schnürung (Bemalung) des Baumes wird - der bayerischen Tradition gemäß - von unten links nach oben rechts gedreht. Die bayerischen Rauten stellen den weiß-blauen Himmel dar.

Bis Ende der 1960 er Jahre wurde unser Maibaum nicht bemalt, sondern mit Girlanden umwickelt und Fähnchen behangen. Die Vorarbeiten, wie das Binden und Nähen, wurden von den Dorfmädchen übernommen. Traditionsgemäß traf man sich hierzu im jetzigen Anwesen von Astrid und Christian Hobelsberger.

Am Gipfel wurde früher eine kleine Fichte, der Wimpelbusch, angebracht. In jüngster Zeit ist dieser durch Metallfähnchen ersetzt worden. Die Girlanden wurden durch eine weiß-blaue Bemalung abgelöst. Farbige Metallfiguren sowie ein „Rundel" zieren den Baum zusätzlich. (Das „Rundel" ist ein mit Rauten bemalter Metallring, welcher im oberen Bereich des Baumes angebracht ist.)
Am Dorfanger sind mehrere Maibaumstandorte bekannt. Ein Photo, welches anhand umfangreicher Recherchen dem Dorf Lichteneck zugeordnet werden konnte, zeigt, dass er in den 1930 er Jahren gegenüber der Kapelle, neben der jetzigen Kleblmühlerstraße stand. Um 1940 war sein Platz unterhalb der Hauptstraße, gegenüber unserem Dorfwirtshaus. Die nächsten Jahre bis 1972 stellte man ihn neben dem Matajka Haus (Greiner), im Bereich der jetzigen Wasserverteilung der Stadt Grafenau, auf.
Auf seinen Maibaum möchte ein Dorf stolz sein können. Vergleiche mit den benachbarten Orten - z. B. in Bezug auf seine Länge - stacheln den Ehrgeiz an. Um einen Maibaum in einer Länge von über 30 Metern zu bekommen, wurde ein zweiter kleiner Baum angeschiftet, auch in Lichteneck. Über mehrere Jahre hinweg tat dies fachmännisch der Muck (verstorbener Kronschnabl Johann-Nepomuk), ein gelernten Schreiner. In Lichteneck galt dabei immer der Grundsatz: Sicherheit vor Länge.
Trotzdem - die Schift (Bereich der schräg zueinander angepassten Verbindungsflächen) brach auch in Lichteneck. Bei uns - Gott sei Dank - erst beim Umlassen des Maibaums. Verletzungen oder Schäden gab es nicht. Heute wird unser Baum nicht mehr geschiftet.

Maibaum - Missgeschicke

Der Baum wurde früher noch ganzjährig stehen gelassen. Der Zeitraum des Bewachens betrug damals drei Tage. Drei Tage vor dem 1. Mai des Jahres 1966 war es wieder so weit: der alte Baum musste umgelegt werden. Hierzu trafen sich die Dorfburschen Schneider Bube (Kronschnabl Dieter), Friedl Alois, Kronschnabl Max und der Fuchs Josef nach der Arbeit. Aber kaum waren die ersten Steine ausgegraben, fiel der Maibaum auf das Matajka Haus. Das war aber noch lang nicht das Ende der Pechsträhne. 1967 passierte denselben Männern das Gleiche, allerdings mit einem erheblich größeren Schaden am Matajka Haus. Die Kosten der Reparatur betrugen über 5.000 DM. Es wurden nämlich nicht nur die Dachziegel und der Dachvorsprung beschädigt, sondern auch der Dachständer mit der Hochspannungsleitung.
1973 fiel der Maibaum nochmals um, richtete aber dieses Mal kaum Schäden an. Wegen der Unglücke wurde noch in diesem Jahr ein anderer Standort gewählt und ein Maibaumloch betoniert.
Seit 1972 steht der Maibaum an seinem jetzigen Platz. Beim Umlassen am 28.10.2006 brach der Maibaum, schon nach zweimaligem Aufstellen. Zum Glück wurde niemand verletzt. Der Baum war morsch geworden.
Maibaumdiebstähle
Die Lichtenecker gingen öfters zum „Maibaumstehlen". Im Jahr 1965 gelang es acht Dorfburschen, den Grafenauer Maibaum zu stehlen. Die Rückgabe erfolgte gegen die üppige Auslöse von einem 100 Liter Fass Bucher Bier und einer Brotzeit für die Maibaumdiebe.
1966 glückte es den Lichteneckern den Neudorfern den Maibaum zu stehlen.
Einige Jahre später - 1980 - stellten wir den Neudorfern einen Schandbaum auf, um diese zu motivieren, wieder einen eigenen Baum aufzustellen. Seither schmückt ein der Tradition entsprechender, besonders prächtiger Maibaum unser Nachbardorf.
Der Maibaum wurde auch uns des Öfteren gestohlen. 1999 beispielsweise von den Großarmschlägern und im Jahr 2003 von der Freiwilligen Feuerwehr Furth. Auch die Freiwillige Feuerwehr Neudorf hat uns den Baum gestohlen. Der Hobelsberger Christian und der Kronschnabl Rainer, die gegen 02.00 h von der Disco heimkamen, wollten den Abtransport noch aufhalten, aber der Baum war schon hinter dem Ortsschild. Die Diebe hatten sich den Baum aber angeblich redlich verdient, da sie sich über und über mit Farbe beschmiert hatten. Der frisch gestrichene Baum war noch nicht trocken.
Um den Diebstählen mit dem anschließenden „Derblecken" entgegen zu wirken, wurden die Wachen gut organisiert. Es wurde in den letzten Jahren fünf Nächte lang gewacht.
Die Einteilung hierfür wird jährlich neu festgelegt. Im Jahr 2013 begann der Kulturverein die Wacht. Weiter ging es mit der Jugend und der Gruppe „Dorf&Siedlung&Schützen". Anschließend übernahmen die Senioren und die letzte Nacht wachten die Frauen.
Presseveröffentlichungen die einen längeren „Diebstahlszeitraum" als Brauchtum fordern, können von den Bewachern kaum nachvollzogen werden, da jeder seinem Alltag und der Arbeit nachkommen muss und schon aus diesem Grunde nicht tagelang auf Schlaf verzichten kann.
Seit 1993 wird der Maibaum am 30.04, immer um 18 Uhr, im Rahmen einer Maifeier aufgestellt. Umgelassen wird er am letzten Samstag im Oktober. Den Winter verbringt er an einem geheimen Ort.
Am 01.05.1998 wurde von dieser Tradition abgewichen. Bereits ab 16.00 Uhr spielte die Blaskapelle Schlag am Dorfanger. Weber Karlheinz hatte die Musiker - auch zur Freude aller Lichtenecker - bestellt, um im Rahmen der Maifeier seinen neuen Biergarten zu eröffnen. Auch 2010 konnten wir der Tradition nicht gerecht werden, umgehend wurde uns von den Neudorfern auch ein Schandbaum ins Dorf gestellt. Er wurde gleich in den frühen Morgenstunden von Fuchs Andreas entfernt, um die „Schande" in Grenzen zu halten. Zur Ehrenrettung der Lichtenecker muss jedoch angeführt werden, dass es im Rahmen der Dorferneuerung damals nicht gelungen war, das neu betonierte Maibaumfundament rechtzeitig fertig zu stellen.
Das Aufstellen wird bei uns noch immer mit den Fangruten per Muskelkraft ausgeführt. Der letzte Ruck und die Absicherung erfolgen durch einen Traktor mit zwei Seilwinden und einem zweiten Traktor mit Frontlader. Hier stimmen sich der Kronschnabl Max und der Lindner Josef ab. Die Lichtenecker sind auf Grund ihrer Erfahrungen überzeugte Verfechter eines versenkten Maibaumfundamentes. Eine im Rahmen der Dorferneuerung von den Planern angepriesene „Stangenbefestigung" wurde mit Erfolg abgelehnt. Für die Halterung des Baums sorgt seit 2012 eine geniale Spezialanfertigung. Diese hat der Kronschnabl Max nach jahrelanger Erfahrung entworfen, gebaut und installiert. Auch das Maibaumfundament wurde nach Anweisung des Maurers Wimbauer Michael in tagelanger, schweißtreibender Arbeit unseren Gegebenheiten neu angepasst.
So steht er da, der Lichtenecker Maibaum. Von allen Seiten sichtbar. Hoch und stark und schön, eine Zierde des Dorfes.


Für Willi:
bitte ein aktuelles, besseres Foto des Maibaums einfügen

Foto des Maibaums vorm Matajka Haus

Foto gestohlener Maibaum steht wieder am Stadtplatz (Grafenauer Anzeiger, PNP vom 04.05.1965)

Evtl. in eigenem Kasten
Der Maibaum im Paragraphenwald
Laut Versicherungskammer Bayern lassen sich aus Gerichtsurteilen im Zusammenhang mit umgestürzten Maibäumen folgende Kontroll- und Prüfpflichten ableiten.
- Es ist mindestens eine jährliche Prüfung des Maibaums erforderlich
- Nach einem Jahr Standzeit ist eine Kontrolle durch einen Holz-Fachkundigen (Schreiner, Zimmerer o. Ä.) erforderlich
- Nach zwei Jahren Standzeit ist eine Kontrolle zu erfolgen durch einen IHK-bestellten Holz-Sachverständigen (Gutachter) oder entsprechend aus- oder weitergebildeten Holz-Sachkundigen (das sind Holz-Fachkundige, die durch Fortbildung - z.B. durch das Maibaum-Seminar bei der Versicherungskammer Bayern - besonders geschult sind)
- Nach drei Jahren Standzeit ist die Kontrolle ausschließlich (und auch jährlich wiederkehrend) durch einen IHK-bestellten Holz-Sachverständigen (Gutachter) durchzuführen.
- Die maximale Standzeit beträgt in jedem Fall fünf Jahre.
- Die Kontrollen müssen die gesamte Länge des Maibaumes einbeziehen und sollten schriftlich dokumentiert werden.
Die Versicherungskammer Bayern weist weiter darauf hin, dass für gemeindeeigene (im Auftrag der Kommune aufgestellte) Maibäume Versicherungsschutz im Rahmen der kommunalen Haftpflichtversicherung besteht. Es können nur natürliche Personen (nicht Vereine als solche) mit der Aufstellung beauftragt werden. Das Direktionsrecht muss bei der Gemeinde verbleiben. Für private oder vereinseigene Maibäume ist eine gesonderte Haftpflichtversicherung erforderlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Stichpunkte:
Maibaum
Quellen:
Karlheinz Reimeier, Vorwort Broschüre „Wer hat den schönsten Maibaum“? Ferienland am Nationalpark Bayerischer Wald Lois Treml, So is´bei uns da Brauch, Erzählungen, Verse und Beschreibungen des Brauchtums im Bayerischen Wald, Neue Presse Verlags-GmbH, Passau, Lektorat:Volker Stutzer, ISBN-3-924484-30-9, Seite 51,52. Zeitung, Schöner Bayerischer Wald, Ausgabe Mai/Juni 2013, Nr.212, Seiten 26,27. von Prof. Dr. Reinhard Haller. Herausgeber: Verein der Nationalpark-Freunde e.V. Bahnhofstraße 22 94481 Grafenau. Bild Grafenauer Anzeiger vom 04.05.1965 (Foto, gestohlener Maibaum steht wieder am Stadtplaz) Versicherungskammer Bayern, Maibaumkontrolle, Verkehrssicherungspflicht und Kontrollen, Risk-Aktuell, 31 87 56 pdf; 05/05

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